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Samstags-Uni: Demokratie – Grundlagen und Herausforderungen

Studium generale der Universität Freiburg, Colloquium politicum der Universität Freiburg und Volkshochschule Freiburg in Verbindung mit der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg

bundestag-2463257_1920.jpg Bild: Pixabay

Von den Wahlen zum Europäischen Parlament am 9. Juni über drei ostdeutsche Landtagswahlen (Sachsen, Thüringen, Brandenburg) im September bis zu den US-Präsidentschaftswahlen am 5. November: Das Jahr 2024 ist ein ‚Superwahljahr‘, und wenn – wie es heißt – Wahlen die Festtage der Demokratie sind, dann sollten wir anno 24 viel Grund zum Feiern haben. Aber wird es auch tatsächlich so kommen? Und was heißt das überhaupt: Demokratie? Welches sind die historischen Wurzeln und normativen Prinzipien, die prozeduralen Spielregeln und sozialen Gelingensbedingungen der Demokratie, welchen politischen und verfassungsmäßigen Rang genießt sie in unserer staatlichen Ordnung und in den Formen unseres Zusammenlebens? Und welchen aktuellen Herausforderungen und Gefährdungen sieht sich die parlamentarische, liberale und repräsentative Demokratie angesichts zahlreicher autoritärer, illiberaler oder ‚populistischer‘ Anfechtungen gegenüber? In ihrer nunmehr 33. Staffel wird sich die Samstags-Uni des Sommersemesters 2024 – diesmal in gemeinsamer Veranstalterschaft von Studium generale, Colloquium politicum und Freiburger Volkshochschule – diesen ebenso grundsätzlichen wie bedrängenden Fragen in einer großen tour d’horizon widmen. Dabei kommen (wie immer in der Samstags-Uni mit ihrem breiten Themen-, Methoden- und Fächerspektrum) namhafte Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen zu Wort: von der Alten Geschichte bis zur Zeitgeschichte und von der Philosophie und politischen Ideengeschichte über Soziologie und Politikwissenschaft bis hin zum Staats- und Verfassungsrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften. Wie stets versteht die Samstags-Uni sich dabei auch selbst als ein demokratisches und aufklärerisches Forum, indem sie im Anschluss an jeden Vortrag dem Publikum die Gelegenheit bietet, sich in offenem Meinungsaustausch und im kultivierten Streit der Argumente mit den Thesen der Referentinnen und Referenten auseinanderzusetzen. Der demokratische Diskurs – wir wollen ihn pflegen!


Die Vorträge finden wöchentlich in Präsenz im Kollegiengebäude I der Universität statt. Sie werden außerdem aufgezeichnet. Zu finden sind die Mitschnitte hier auf dieser Seite über die Links bei den einzelnen Vorträgen und gesammelt auf dem Medienportal des Studium generale

 

Samstag / 11 Uhr c.t. / HS 1010 (Kollegiengebäude I) 

Prof. Dr. Jörn Leonhard
(Historisches Seminar, Universität Freiburg)

Aufbrüche und Umbrüche: Etappen der Demokratiegeschichte im langen 19. Jahrhundert

Samstag, 20.04.24

Link zum Vortrag

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Über den Zeitpunkt, wann eine Demokratiegeschichte einzusetzen hat, lässt sich streiten – nicht aber über die Tatsache, dass mit der globalen Revolutionsepoche seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in Nordamerika und Europa politische und soziale Umbrüche verknüpft waren, welche die Geschichte der Demokratie tiefgreifend prägten. Der Vortrag beleuchtet vor diesem Hintergrund Krisenerfahrungen, Konfliktkonstellationen und Entwicklungsschwellen in der Geschichte von Demokratie und Demokratisierung im langen 19. Jahrhundert. Sie reichen von der „Sattelzeit“ der Revolutionen und Konterrevolutionen seit den 1770er Jahren, den „Kettenrevolutionen“ von 1830 und 1848/49 über die Bildung neuer Nationalstaaten im Zeichen erweiterter politischer und sozialer Teilhabe und die Auseinandersetzungen über das Ausmaß der Demokratisierung um 1900 bis zum Ersten Weltkrieg. Er endete nach 1918 unter dem Eindruck millionenfacher Opfer in vielen Gesellschaften im formalen Durchbruch zur Massendemokratie, die aber bereits nach wenigen Jahren vielerorts unter Druck geriet. Um 1930 schien zumindest das Ordnungsmodell der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie angesichts der ideologischen Gegenentwürfe der Sowjetunion und der unterschiedlichen Varianten des Faschismus in eine Existenzkrise geraten, die viele Zeitgenossen an einer Zukunft der Demokratie zweifeln ließ. Der Vortrag stellt daher in einem Ausblick die Frage, welche längerfristigen Entwicklungsmuster des langen 19. Jahrhunderts wir kennen sollten, um die globalen Krisen der Demokratie in den 1920er und 1930er Jahren angemessen zu erklären. Damit kommen aus historischer Perspektive auch Krisenfaktoren oder Stabilisierungsmomente in den Blick, die uns Orientierung in der Demokratiekrise der Gegenwart vermitteln könnten.

Prof. Dr. Rainer Forst
(Institut für Politikwissenschaft und Institut für Philosophie, Goethe-Universität Frankfurt a.M.)
Demokratie in Zeiten der Regression. Normative und zeitdiagnostische Überlegungen

Samstag, 27.04.24

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In aktuellen Analysen der Krise der Demokratie wird in Verbindung mit dem Aufkommen autoritärer Populismen der Begriff der demokratischen bzw. antidemokratischen Regression verwendet. Der Vortrag diskutiert die normativen Voraussetzungen, die den Gebrauch dieses Begriffs, verstanden als Diagnose der ‚Herrschaft der Unvernunft‘, rechtfertigen. Diese Klärung erlaubt es, einige Fehler in der diesbezüglichen Diskussion zu vermeiden: den der Status quo ante-Fixierung, den der Reduktion des Begriffs der Demokratie sowie den der falschen Einordnung von Demokratiekritik. Diese Überlegungen münden in eine eigene Einschätzung der Ursachen antidemokratischer Regression und der Paradoxien unserer Zeit.

Prof. Dr. Manfred Berg
(Historisches Seminar, Universität Heidelberg)

Tyrannei der Mehrheit oder der Minderheit?
Die amerikanische Demokratie seit der Verfassungsgebung

Samstag, 04.05.24

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Die Geschichte der amerikanischen Demokratie ist voller Widersprüche. Die USA gelten als die älteste Demokratie der modernen Welt. Das demokratisch-egalitäre Ethos hat den American Exceptionalism, also den Glauben an eine historische Sonderstellung Amerikas, maßgeblich geprägt. Doch die Begriffe „Demokratie“ bzw. „demokratisch“ finden sich bis heute ebenso wenig in der Bundesverfassung wie die Garantie eines nationalen Wahlrechts. Die Verfassung sollte die Tyrannei der Mehrheit verhindern, aber die Dynamik der Massendemokratie erwies sich als unwiderstehlich. Die politische Gleichheit weißer Männer war bereits im frühen 19. Jahrhundert weithin akzeptiert, doch Minderheiten müssen bis heute oft um ihr Wahlrecht kämpfen. Im 20. Jahrhundert galt die amerikanische Demokratie weltweit als Vorbild, inzwischen ist sie zum Krisenfall geworden. Der Vortrag wird einen Überblick über die konfliktreiche Geschichte der amerikanischen Demokratie unternehmen.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Joachim Gehrke
(Seminar für Alte Geschichte, Universität Freiburg)
Antike Ursprünge der Demokratie?

Samstag, 11.05.24

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Sehr oft kann man heute hören, die Wurzeln unserer Demokratie lägen in der Antike. Pointiert gesagt, ist das richtig und falsch zugleich. Jedenfalls ist der Sachverhalt komplizierter. Im alten Athen beispielsweise gab es Sklaverei, waren die Frauen von den politischen Rechten ausgeschlossen und insgesamt nur rund 12% der Bevölkerung Staatsbürger, die zur Teilhabe berechtigt waren. Würden wir das eine Demokratie nennen? Umgekehrt wäre für die antiken Athener unsere repräsentative Ordnung mit dem Parlament eine Oligarchie. Der Vortrag geht von dieser Problematik aus. Zunächst beschreibt er die attische Demokratie und analysiert sie im Hinblick auf ihre grundlegenden Prinzipien. Im zweiten Teil schlägt er die Brücke zur Moderne. Er vergleicht die Grundsätze der jeweiligen (antiken und heutigen) politischen Ordnungen, skizziert die verschlungenen Wege, auf denen antike Praktiken und Vorstellungen in die Moderne gelangt sind, und erörtert schließlich, auf welche Weise sie noch heute Wirkung zeigen (können).

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Andreas Voßkuhle
(Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie - Abt. 1, Staatswissenschaft, Universität Freiburg)

Demokratie und Grundgesetz

Samstag, 18.05.24

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Die Idee der Demokratie geht bis auf die Antike zurück und existiert in sehr unterschiedlichen Ausgestaltungen und Spielarten. Auch das sich nach dem Zweiten Weltkrieg etablierende sog. westliche Demokratiemodell kennt viele unterschiedliche Varianten. Das wird sofort deutlich, wenn man etwa die politischen Systeme in Frankreich, Großbritannien, der Schweiz und den USA mit dem der Bundesrepublik Deutschland vergleicht. Was diese Staaten aber eint, ist der allgemeine Verlust an Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der repräsentativen Demokratie, der deutlich über die regelmäßig aufflammende Politikverdrossenheitsdebatte hinausgeht.  Der 75. Geburtstag des Grundgesetzes am 23. Mai in diesem Jahr ist daher ein guter Anlass, nach dem spezifischen Demokratieverständnis der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland zu fragen. Seine Kernelemente sollen vor dem Hintergrund der weltweiten Renaissance des Autoritarismus und der aktuellen Herausforderungen durch den Rechtsextremismus in Deutschland in Form einer kritischen „Tour d`horizon“ auf Schwächen und Stärken und mögliche Entwicklungspotentiale abgeklopft werden.

Prof. Dr. Ulrich Herbert
(Historisches Seminar, Universität Freiburg)
Die Demokratie und ihre Gegner im 20. Jahrhundert

Samstag, 01.06.24

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Die Demokratie hatte es schwer in Deutschland. Zwar war der Trend zur Demokratisierung im Deutschen Kaiserreich unübersehbar, aber zugleich wuchsen auch die Widerstände. In Weimar stand nicht nur die „nationale Opposition“ dem neuen demokratischen Staat feindselig gegenüber, sondern auch die stalinistische KPD. Der Aufstieg der antidemokratischen Kräfte in diesen Jahren war indes kein deutsches Spezifikum: Ende der 1930er Jahre wurden von 23 europäischen Staaten 15 autoritär oder diktatorisch regiert. Nach 1945 kam es durch den beherrschenden Einfluss der USA in Westeuropa zu einer Revitalisierung der demokratischen Staatsform, wobei sich in der Bundesrepublik die institutionelle Demokratisierung relativ schnell stabilisierte, die gesellschaftliche hingegen erst in einem langen und widerspruchsvollen Prozess. Dabei war durchaus nicht immer klar, was „Demokratie“ eigentlich ausmachte, der Streit um die Bedeutung der Ereignisse von 1968 machte das deutlich. Und immer hatte es auch rechte und rechtsextremistische Demokratiegegner gegeben, freilich nie so stark wie seit etwa 2015. Aber auch das ist keine deutschlandspezifische Erscheinung.

Prof. Dr. Kiran Klaus Patel
(Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München)
Europa vor der Wahl
Demokratiegeschichtliche Perspektiven auf die (Geschichte der) EU

Samstag, 08.06.23

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In mehreren Mitgliedstaaten der EU haben die Wahlen zum Europäischen Parlament bereits begonnen, in Deutschland stehen sie für den Folgetag an: Ein spannenderer Moment, um über Europa nachzudenken, lässt sich kaum finden als dieser 8. Juni 2024. Der Vortrag beleuchtet die Geschichte des Europäischen Parlaments – seinen ebenso verblüffenden wie unvorhersehbaren Aufstieg zu einer prägenden Institution im Regelwerk der Union, seine Leistungen und Probleme sowie allgemein seine Rolle im europäischen Einigungsprozess. Aufbauend auf diesen Einblicken in die Geschichte wird erörtert, was aus dem Ergebnis der Wahl folgen mag und was uns dies über den Zustand der Demokratie in der EU und in Europa sagen kann.

Ulrike Herrmann
(taz, Berlin)

Demokratie und Kapitalismus

Samstag, 15.06.24

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Demokratie ist eine alte Idee, die bis in die Antike zurückreicht. Aber praktische Wirklichkeit wurde sie erst ab dem 19. Jahrhundert in Europa. Das ist kein Zufall, sondern dem Kapitalismus zu verdanken. Die Industrialisierung schuf den Wohlstand, der nötig ist, um ein allgemeines Wahlrecht zu ermöglichen. Doch jetzt naht das Ende des Kapitalismus, denn er erzeugt nicht nur Wachstum – sondern zerstört auch unsere Lebensgrundlagen. Wird die Demokratie das Ende des Kapitalismus überleben?

Prof. Dr. Steffen Mau
(Institut für Sozialwissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin)
„Triggerpunkte“: Die stille Mitte der Demokratie

Samstag, 22.06.24

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Spaltungsdiagnosen sind seit ein paar Jahren ein populärer Topos im wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskurs. Der Vortrag zeigt, dass neue Konflikte um Migration, Diversität und Klimawandel an Bedeutung gewinnen, aber auch, dass zumindest für die Bundesrepublik daraus noch kein Megakonflikt entstanden ist. Es gibt sogar eine „stille Mitte“, die in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen immer weniger hörbar ist. Darüber hinaus wird die Frage aufgeworfen, warum sachliche Diskussionen in emotionalisierte Auseinandersetzungen umschlagen. Dazu wird das Konzept der Triggerpunkte eingeführt, welches einen analytischen Schlüssel für die Identifikation sensibler und oft mit Reaktanz verbundener politischer Themen bietet. Der Vortrag verdeutlicht, wie politische Akteure über Triggerthemen Affekte schüren und welche Folgen das für das politische System insgesamt hat.

Prof. Dr. Christina Morina
(Abteilung Geschichtswissenschaft, Universität Bielefeld)

Tausend Aufbrüche. Die Deutschen und ihre Demokratie seit den 1980er-Jahren

Samstag, 29.06.24

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Die Debatte über das Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschen und die politische Kultur in beiden Landesteilen ist nach wie vor von Unverständnis, Klischees und Zuspitzungen geprägt. Das Buch, auf dem der Vortrag beruht, vermeidet die übliche Frontenbildung und rückt anhand unzähliger bisher unerforschter Selbstzeugnisse wie Bürgerbriefe, Petitionen und Flugblätter die Demokratievorstellungen und das Bürgerselbstverständnis der Deutschen in Ost und West seit den 1980er Jahren in den Fokus. Die Studie verzahnt die Demokratiegeschichte der Bundesrepublik und die Demokratieanspruchsgeschichte der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik zäsurübergreifend, wodurch maßgebliche Unterschiede und wechselseitige Bezüge im Staats- und Politikverständnis sichtbar werden. Zugleich lassen sich der demokratische Aufbruch von 1989/90 und seine politisch-kulturellen Folgen erst in solch einer integrierten Perspektive in die weitere Demokratiegeschichte einordnen und die derzeit so intensiv diskutierten Potentiale und Gefährdungen der Demokratie vermessen.

Dr. Verena Frick
(Institut für Politikwissenschaft, Georg-August-Universität Göttingen)

Demokratie findet Stadt. Über demokratische Praxis in der Stadt und die Räumlichkeit der Demokratie

Samstag, 06.07.24

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Das eingespielte Verhältnis von Stadt und Staat befindet sich im Wandel. Städte treten aus dem Schatten der sie umgebenden Nationalstaaten heraus und reklamieren politischen Gestaltungsanspruch. Gleichzeitig entwickeln sich Städte selbst zu umkämpften Räumen, in denen Konflikte um soziale Ungleichheit, Migration oder Klimawandel, die traditionell vor allem an Staaten adressiert wurden, ausgetragen werden. Diese veränderte Bedeutung von Städten unterläuft unser überkommenes Denken in hierarchischen Mehrebenenordnungen und damit auch Zuschreibungen politischer Relevanz in wichtig (staatliche Politik) und weniger wichtig (lokale Politik). Eröffnen sich damit Chancen für die Revitalisierung der Demokratie von unten? Wie müssten Städte umgestaltet werden, damit sie zu einer Vertiefung der Demokratie beitragen können? Und worin besteht eigentlich das Ideal einer demokratischen Stadt heute? Entlang dieser Fragen zeigt der Vortrag, warum wir heute eine lebendige städtische Demokratie brauchen.

Prof. Dr. Christoph Möllers, LL.M. (Chicago)
(Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insb. Verfassungsrecht, und Rechtsphilosophie, Humboldt-Universität zu Berlin)

Übergänge zwischen demokratischer und autoritärer Herrschaft

Samstag, 13.07.24

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Es gibt keine perfekte rechtsstaatliche Demokratie. Korruption, Rechtsbruch und ungleiche Verteilung politischer Chancen kommen in jeder Ordnung vor. Demokratische Rechtsstaaten scheinen solche Abweichungen vom eigenen Normbestand geradezu vorauszusetzen, sonst würden sie nicht so viele Verfahren vorsehen, in denen diese beobachtet, öffentlich gemacht und beendet werden könnten. Woher wissen wir aber, wann eine bestehende Ordnung von der Lösung zum Problem wird? Die Wahrnehmung der Corona-Krise zeigte nicht nur in Deutschland, dass es nicht einfach ist, sich über die Beantwortung dieser Frage einig zu werden. Der Vortrag wird den Versuch unternehmen, spezifische Kriterien des Demokratieverlusts zu benennen, damit nicht jeder Normbruch als Indiz des Übergangs zu autoritären Verhältnissen missverstanden wird.

Prof. Dr. Paulina Starski
(Institut für Öffentliches Recht - Abt. 1, Lehrstuhl für deutsches und ausländisches Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht, Universität Freiburg)

Demokratie und Internationale Organisationen

Samstag, 20.07.24

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Die Geschichte des Völkerrechts der Gegenwart prägt der Prozess der Institutionalisierung. Staaten schließen völkerrechtliche Verträge und gründen auf dieser Basis zur Erfüllung bestimmter Aufgaben regelmäßig „internationale Organisationen“ (IOs – z. B. UN, WHO oder WTO). Oftmals sind Organe von IOs dazu ermächtigt, für die Mitglieder verbindliche Rechtsakte zu setzen (sog. Sekundärrecht – z. B. Resolutionen des UN Sicherheitsrates). Solche Sekundärrechtsakte verpflichten die jeweiligen Mitglieder der IO zur Umsetzung. So denn die Mitglieder auf die betreffende IO auch Hoheitsrechte übertragen haben, kommt derartigem Sekundärrecht gar Geltung und potentiell unmittelbare Anwendung innerhalb der nationalen Rechtsordnungen zu. Das von IOs gesetzte Recht zeitigt somit entweder unmittelbar oder mittelbar Auswirkungen auf die Rechtswirklichkeit von Individuen. Dies lässt die Frage nach der demokratischen Legitimität des Wirkens von IOs drängend werden. Dem Problemkomplex eines Demokratieprinzips jenseits des Staates widmet sich dieser Vortrag der Samstags-Uni. Er wird sich insbesondere auch mit Erkenntnissen des Global Administrative Law und des Global Constitutionalism auseinandersetzen.

 

Mit freundlicher Unterstützung der Volksbank Freiburg und der Badischen Zeitung