Sie sind hier: Startseite Studium generale Samstags-Uni: Biologische Vielfalt …

Samstags-Uni: Biologische Vielfalt – Erhalten, was uns erhält

Studium generale der Universität Freiburg und Volkshochschule Freiburg in Verbindung mit der Musella-Stiftung für eine sozial-ökologische Zukunft und der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg

 Schlehen-Lockensandbiene  © Foto Felix Fornoff

© Foto Felix Fornoff 

Unter ‚Biodiversität‘ oder ‚biologischer Vielfalt‘ versteht man ganz allgemein die Vielfalt und Variabilität von Leben. In diesem Sinne umfasst der Begriff nicht nur die Anzahl der Arten in einem bestimmten Landschaftsraum, sondern auch die genetische Varianz innerhalb der einzelnen Tier- und Pflanzenarten, daneben die Bandbreite an unterschiedlichen Lebensräumen und die Vielfalt realisierter ökologischer Funktionen und Prozesse in den jeweiligen Ökosystemen.
Diese biologische Vielfalt ist heute akut bedroht. In Deutschland beispielsweise gelten knapp ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten als gefährdet. Weltweit droht, wie der Weltbiodiversitätsrat IPBES in seinem „Globalen Zustandsbericht zur Biodiversität“ vom Mai 2019 warnt, in den nächsten Jahrzehnten der Verlust von bis zu einer Million Arten. Ein so rapider und gravierender Rückgang der Biodiversität bedroht das Funktionieren unseres gesamten Ökosystems und gefährdet unsere Lebensgrundlagen.
Die Samstags-Uni des Sommersemesters fragt nach den komplexen Ursachen für den Rückgang der biologischen Vielfalt wie nach den mannigfachen Auswirkungen dieser Verluste. Sie stellt aktuelle Erkenntnisse, Methoden und Arbeitsfelder der Biosystemforschung vor und erkundet an konkreten Fallbeispielen Handlungsmöglichkeiten auf globaler, lokaler und individueller Ebene. Dabei kommen in gewohnt breitgefächerter und interdisziplinärer Perspektive ausgewiesene Expertinnen und Experten aus den Bio- und Umweltwissenschaften, aber auch aus Rechtswissenschaft, Politikwissenschaft, Kulturwissenschaften und Philosophie zu Wort.

Die Vorträge finden samstags zwischen 11:15 Uhr und 12:45 Uhr in Präsenz im HS 1010 im Kollegiengebäude I der Universität statt und können kostenlos und ohne vorherige Anmeldung besucht werden. Alle Vorträge der Reihe werden außerdem aufgezeichnet und zeitversetzt hier über Links bei den einzelnen Vorträgen und gesammelt auf dem Medienportal des Studium generale zugänglich gemacht.

 

Samstag / 11 Uhr c.t. / HS 1010 (Kollegiengebäude I) 

Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein
(Professur für Naturschutz und Landschaftsökologie, Universität Freiburg)

Wie steht es um die Biologische Vielfalt und warum ist sie wichtig? Einblicke aus Sicht einer Bestäubungsökologin

Samstag, 26.04.25

Link zum Vortrag

Zum Auftakt der Reihe wird dieser Vortrag einen umfassenden Einblick in den aktuellen Zustand der biologischen Vielfalt geben und die essenzielle Rolle von Bienen innerhalb des Ökosystems herausstellen, alarmierende Fakten zur Artenvielfalt präsentieren und erläutern, warum der Verlust biologischer Vielfalt nicht nur die Natur, sondern auch unsere Ernährungssicherheit und Gesundheit bedroht. Besonders im Fokus stehen die Bienen, die als Schlüsselbestäuber für die Bestäubung von 75 % der weltweit wichtigsten Nutzpflanzen verantwortlich sind. Der drastische Rückgang ihrer Population verdeutlicht den dringenden Handlungsbedarf.

Dr. Dimitry Wintermantel
(Professur für Naturschutz und Landschaftsökologie, Universität Freiburg)

Bienen und Pestizide: Welche Schwachstellen hat die aktuelle Risikobewertung des Pestizidzulassungsverfahrens?

Samstag, 03.05.25

Bienen sind die wichtigsten Bestäuber von Wild- und Kulturpflanzen und daher äußerst wichtig für Biodiversität und landwirtschaftliche Produktivität. In Europa gibt es etwa 2000 Bienenarten, doch die Vielfalt der Bienen nimmt vielerorts ab. Einer der Hauptstressoren von Bienen sind Pflanzenschutzmittel. Obwohl diese vor ihrer Zulassung getestet werden müssen, hat insbesondere das Beispiel der Neonikotinoid-Insektizide gezeigt, dass der Einsatz von zugelassenen Pestiziden Bienen erheblich schädigen kann. Der Vortrag widmet sich zunächst kurz der Ökologie von Wildbienen im Vergleich zu Honigbienen, da Pestizidtests überwiegend an Honigbienen durchgeführt werden, und erläutert dann, wie das Risiko von Pestiziden für Bienen in der Europäischen Union bewertet wird. Zudem wird kritisch hinterfragt, ob Honigbienen ein geeigneter Modellorganismus für Wildbienen oder allgemein für Bestäuber sind, und auch der Frage nachgegangen, warum bienenschädigende Neonikotinoide dennoch als sicher eingestuft wurden.

Prof. Dr. Teja Kattenborn
(Professur für sensorgestützte Geoinformatik, Universität Freiburg)

Tote Bäume aus dem All erkennen – Wie Künstliche Intelligenz, Drohnen und Satelliten beim Monitoring von Waldsterben helfen

Samstag, 10.05.25

Der Klimawandel, neue Schädlinge und veränderte Landnutzung führen in vielen Regionen zu einer erhöhten Baumsterblichkeit. Dies hat weitreichende Folgen für unsere Ökosysteme: Neben dem Verlust wichtiger Funktionen wie Wasserfilterung oder Temperaturregulierung führt die überdurchschnittliche Sterblichkeit von Bäumen auch zur verstärkten Freisetzung von CO₂ – was den Klimawandel weiter antreibt. Doch obwohl viele Menschen das Baumsterben in ihrem Alltag wahrnehmen, fehlen bislang präzise Daten darüber, wo und in welchem Ausmaß Wälder betroffen sind.
Satelliten und Künstliche Intelligenz (KI) bieten vielversprechende Möglichkeiten, tote Bäume weltweit zu erfassen. Doch damit eine KI Baumsterben zuverlässig erkennt, muss sie zunächst trainiert werden. Hier setzt die Arbeitsgruppe für Sensorgestützte Geoinformatik der Universität Freiburg auf einen innovativen Ansatz: Drohnen. Immer mehr Menschen nutzen Drohnen, um Wälder zu fotografieren. Diese hochdetaillierten Luftaufnahmen zeigen tote Bäume mit hoher Präzision. Der Vortrag wird u.a.  zeigen, wie diese lokalen Daten zum Training von Algorithmen genutzt werden, die zur Analyse von Satellitenbildern eingesetzt werden können, außerdem die erste deutschlandweite Karte toter Bäume vorstellen, die bereits auf dieser Grundlage erstellt wurde, und schließlich einen Ausblick geben, wie Bürger*innen weltweit aktiv selbst zu dieser Forschung beitragen können.

Prof. Dr. Cathrin Zengerling, LL.M
(Professur für Transformation zu nachhaltigen Energiesystemen, Universität Freiburg)
Schutz der Biodiversität im Recht – Wie kann die Transformation gelingen?

Samstag, 17.05.25

Im wissenschaftlichen und politischen Diskurs ist die Biodiversitätskrise seit einigen Jahren neben die Klimakrise getreten. Als Reaktion darauf hat sich der rechtliche Rahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung der Biodiversität deutlich weiterentwickelt. Während Naturschützer*innen die vereinbarten Regelungen nicht weit genug gehen, protestieren betroffene Landnutzer*innen gegen unverhältnismäßige Einschränkungen. Der Vortrag gibt einen Überblick über zentrale Neuerungen auf internationaler, europäischer, nationaler und Länderebene. Welche Ziele haben die Gesetzgeber gesetzt? Wie sollen sie erreicht werden? Konkret: Welche Akteur*innen werden mit welchen Instrumenten verpflichtet oder finanziell motiviert, welche Beiträge zum Schutz der Biodiversität zu leisten? Ist der Bogen überspannt? Oder nicht einmal ausgepackt? Anhand ausgewählter Beispiele werden Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze diskutiert.

Prof. Dr. Katrin Heer
(Eva Mayr-Stihl Stiftungsprofessur für Forstgenetik, Universität Freiburg)

Genetische Diversität – die verborgene Ebene der Biodiversität

Samstag, 24.05.25

Wenn über den Schutz der Natur gesprochen wird, geht es oft um den Erhalt einzelner Arten oder sogar individueller Tiere und Pflanzen. Doch für Naturschutzgenetiker ist eine andere Ebene entscheidend: die Population. Innerhalb von Populationen findet der genetische Austausch statt, sie tragen einzigartige genetische Merkmale, und nur Populationen mit einer hohen genetischen Vielfalt haben langfristig eine Überlebenschance.
Dank moderner Sequenziertechnologien können wir heute die genetische Vielfalt von Populationen detaillierter denn je untersuchen. In diesem Vortrag betrachten wir (1) die Bedeutung genetischer Diversität für den Erhalt von Arten, (2) moderne Methoden zur Untersuchung von Genomen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse sowie (3) gesetzliche Regelungen zum Monitoring genetischer Vielfalt.

Prof. Dr. Roland Borgards
(Lehrstuhl für Neuere deutsche Literatur, Goethe-Universität Frankfurt a. M.)

Literarische Biodiversität. Wie sich von der Vielfalt des Lebens erzählen lässt – und warum das so wichtig ist

Samstag, 31.05.25

Im Konzept der Biodiversität verbindet sich Wissenschaft mit Politik: Biodiversität ist etwas, das es wissenschaftlich zu erforschen und das es politisch zu schützen gilt. Zugleich aber ist immer auch ein ästhetisches Urteil mit im Spiel: ‚varietas delectat‘, Verschiedenheit gefällt. Besonders deutlich wird diese Ästhetik der Biodiversität in einer Kunstform wie der Literatur. Denn wenn literarische Texte sich mit der Vielfalt des Lebens befassen, geht es stets auch um Fragen der Form: Wie lässt sich Vielfalt erzählen? Der Vortrag wird dieser Frage an Beispielen aus der Gegenwartsliteratur (z.B. Judith Schalansky: Verzeichnis einiger Verluste, und Richard Powers: Die Wurzeln des Lebens) nachgehen: Welche eigene Qualität entwickeln literarische Texte in ihren Biodiversitätsdarstellungen? Wo können sie Wissenschaft und Politik ergänzen? Warum sind literarische Biodiversitäten nicht nur erfreulich für uns Lesende, sondern können auch wichtig werden für unser Wissen und unser Handeln?

Prof. Dr. Anne-Christine Mupepele
(Lehrstuhl für Tierökologie, Philipps-Universität Marburg)

Die Rolle von Wissenschaft im Naturschutz

Samstag, 21.06.25

Wissenschaftliche Erkenntnisse helfen uns, die Welt besser zu verstehen, Zusammenhänge zu erkennen und Vorhersagen zu treffen. Sie ermöglichen es, Maßnahmen zu ergreifen, um einen gewünschten Effekt zu erzielen. In der Medizin soll eine Behandlung durch ein Medikament eine Krankheit heilen. Ein solches Medikament wird erst zugelassen, wenn es zuvor wissenschaftlich untersucht und seine Wirksamkeit gezeigt werden konnte. Auch im Naturschutz sollen durch gezielte Maßnahmen Verbesserungen erreicht werden. In vielen Bereichen wurden bereits Erfolge erzielt – etwa sauberere Gewässer durch weniger Dünger oder artenreichere und widerstandsfähigere Wälder durch den Wandel von Fichtenmonokulturen hin zu Mischwäldern. Angesichts wachsender Herausforderungen bleibt es ein stetiges Ziel, effiziente Lösungen zu finden, die nicht nur wirksam, sondern auch gesellschaftlich akzeptiert und vor Ort umsetzbar sind.

Prof. Dr. Josef Settele
(Department Naturschutzforschung, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Halle / Professur für Ökologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Der Beitrag von Politikberatung zum Schutz der Biodiversität

Samstag, 28.06.25

Der Vortrag wird auf der Grundlage langjähriger Erfahrungen in internationalen Assessments auf die verschiedenen Facetten internationaler Vertragsverhandlungen und deren Konsequenzen für den Schutz der Biodiversität von der globalen über die regionale bis hin zur lokalen Ebene eingehen (mit einem Fokus auf Insekten). Dabei wird Bezug genommen auf den Weltbiodiversitätsrat (IPBES), den Weltklimarat (IPCC) und die Konvention für Biologische Vielfalt (CBD), außerdem auf die europäische Gesetzgebung und auf deren nationale Umsetzung, v.a. am Beispiel der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur.

Prof. Dr. Werner Konold
(Professur für Landespflege, Universität Freiburg)

Schafft Landnutzung Biodiversität?
Ein Blick in die Geschichte der Kulturlandschaft

Samstag, 05.07.25

Kulturlandschaft ist physisch greifbare Geschichte. Im besten Fall sind mehrere, ja viele Zeitschichten ablesbar – Spuren des Wirtschaftens, Nutzens und Übernutzens und des Gestaltens. Man kann vielfach noch funktionale Zusammenhänge zwischen verschiedenen Landschaftselementen – Raine, Rücken, Riegel, Hecken und vieles andere mehr – erkennen. Es entstand über die Jahrhunderte eine kleinflächige Raum-Zeit-Dynamik. Durch menschliches Einwirken wurde die Biodiversität erhöht und räumlich neu sortiert, und zwar bezogen auf alle Komponenten der biologischen Vielfalt: die genetische Ebene, die der Arten, Lebensgemeinschaften und deren Struktur und auf Landschaften. Der Vortrag versucht, mit vielen Bildern einen Überblick über die Prozesse der Landschaftsentwicklung und die Triebkräfte, die dahinterstanden, zu geben; das Ganze ergänzt um aktuelle und Zukunftsaspekte.

Prof. Dr. Thomas Potthast
(Professur für Ethik, Geschichte und Theorie der Biowissenschaften /
Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften, Universität Tübingen)

Was ist Biodiversität und warum sollen wir sie schützen?  
Biophilosophische und ethische Perspektiven

Samstag, 12.07.25

Wir leben in Zeiten (auch) einer Biodiversitätskrise. Doch was genau meint der Ausdruck „Biodiversität“, der erst in den spätern 1980er Jahren geprägt wurde? Umfasst er das Leben an sich, alle Lebensformen, alle Spezies und Ökosysteme? Aus Perspektive der Philosophie der Biologie soll gezeigt werden, dass „Biodiversität“ kein rein biologischer Begriff ist, sondern ein sogenannter Grenzbegriff, ein epistemisch-moralisches Hybrid, der Natur- und Geisteswissenschaften, Politik und Naturschutz verbindet. Zugleich wird genauer ausgeführt werden, welche guten Gründe es gibt, den Schutz der biologischen Vielfalt in der Tat als drängende Gegenwartsfrage zu verstehen. Dabei geht es in der Begründung nicht um den falschen Gegensatz „Mensch oder Natur“, sondern um Perspektiven einer gelingenden gemeinsamen Zukunft.

Dr. Christopher Morhart
(Professur für Waldwachstum und Dendroökologie, Universität Freiburg)

Agroforstsysteme: Win-Win für Landwirtschaft und Umwelt

Samstag, 19.07.25

Bäume gehören in den Wald und Getreide auf den Acker – ist das wirklich so, oder bieten sogenannte Agroforstsysteme doch mehr für Mensch und Natur? Dieser Frage soll im Vortrag nachgegangen werden. Dass Bäume und Sträucher die Biodiversität durch die Schaffung von Lebensräumen und Nahrungsquellen für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten steigern und die Wind- und Wassererosion reduzieren, ist vielen bekannt. Darüber hinaus ergeben sich durch deren Integration in landwirtschaftliche Nutzsysteme eine Vielzahl weiterer Effekte. Die einzelnen Komponenten von Agroforstsystemen interagieren in mannigfaltiger Weise miteinander. Da sowohl Bäume als auch Ackerkulturen Wasser, Licht und Nährstoffe benötigen, stellt sich die Frage: Macht es Sinn, beide zu kombinieren? Taucht man in die faszinierende Welt der Agroforstsysteme ein, wird schnell klar, dass die Realität weitaus komplexer ist, als es zunächst scheint.

Prof. Dr. Michael Scherer-Lorenzen
(Lehrstuhl für Geobotanik, Universität Freiburg)

„Doktor Wald“ – Hat die Biodiversität von Wäldern einen Einfluss auf die Gesundheit der Menschen?

Samstag, 26.07.25

Waldökosysteme sind ein wichtiges Reservoir für die biologische Vielfalt in den vom Menschen geprägten Landschaften Mitteleuropas und erbringen zahlreiche Ökosystemleistungen. Der Kontakt mit Wäldern oder einer natürlichen Umgebung kann sich positiv auf die menschliche Gesundheit auswirken, v.a. bei nicht übertragbaren Krankheiten wie psychischen Störungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Beitrag der biologischen Vielfalt in Wäldern zu Gesundheit und Wohlbefinden ist aber noch nicht ausreichend erforscht. Die biologische Vielfalt kann dabei sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben, letztere z. B. durch vektorübertragene Krankheiten oder pollenbedingte Allergien. Im Vortrag werden u.a. neue Erkenntnisse aus dem europäischen Projekt „Dr. Forest“ vorgestellt.

 

Mit freundlicher Unterstützung der Volksbank Freiburg und der Badischen Zeitung