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Samstags-Uni: „Resilienz“: Widerstandskräfte in Krisenzeiten

Studium generale der Universität Freiburg in Verbindung mit dem Centre for Security and Society CSS der Universität Freiburg und der Volkshochschule Freiburg

Bild: Rosalia Ricotta, pixabay

Resilienz empfiehlt sich als Schlüsseleigenschaft für unsichere Zeiten. Ob Individuen mit Schicksalsschlägen umgehen, Ökosysteme sich dem Klimawandel anpassen oder Gesellschaften auf globale Bedrohungen und Katastrophen reagieren müssen – die Fähigkeit, Rückschläge zu kompensieren, das Unerwartete erfolgreich zu meistern und für eine prekäre Zukunft gewappnet zu sein, erscheint heute, in den mannigfachen, sich überlagernden Krisen unserer Gegenwart, nötiger denn je. Die Vorträge der Samstags-Uni im Wintersemester 2022/23 stellen sich dieser Herausforderung und fragen, was die Wissenschaft und deren unterschiedliche Disziplinen zur Bewältigung solcher vielschichtigen Problemlagen des Einzelnen und der Gesellschaft beitragen können. Dabei sollen einerseits Stellenwert und Verwendung des Resilienzkonzepts in diversen Wissenschaftsbereichen (Psychologie, Soziologie, Philosophie, Pädagogik, Umweltwissenschaften etc.) erläutert und andererseits aktuelle Anwendungsbereiche aus dem Blickwinkel eines breiten disziplinären Spektrums aus den Geistes-, Kultur-, Sozial-, Natur- und Technikwissenschaften vorgestellt und diskutiert werden: Wie können der Wald, die Seele, die Energienetze, das Wirtschafts- und Finanzsystem oder die internationale Ordnung resilienter, widerstandsfähiger werden? Ist Resilienz ein tragfähiges Zukunftskonzept oder läuft der Begriff Gefahr, zu einer Worthülse zu verkommen? Und was sagt die momentane Konjunktur des Themas Resilienz über unsere Gesellschaft und deren Stimmungs- und Gefährdungslagen aus? In zwölf Vorträgen und einer Podiumsdiskussion wird die Samstags-Uni die einschlägigen Problemfelder herausarbeiten und nach Lösungsansätzen fragen.

Die Vorträge finden wöchentlich in Präsenz im Kollegiengebäude I der Universität statt. Sie werden außerdem aufgezeichnet. Zu finden sind die Mitschnitte hier auf dieser Seite über die Links bei den einzelnen Vorträgen und gesammelt hier auf dem Medienportal des Studium generale.

 

Samstag / 11 Uhr c.t. / HS 1010 und Aula (Kollegiengebäude I)

 

Prof. Dr. Ulrich Bröckling (Institut für Soziologie)
Resilienz – Konturen eines Schlüsselbegriffs des 21. Jahrhunderts

Samstag, 22.10.22, Aula

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Prof. Dr. Ulrich Bröckling

Resilient sein heißt, Risiken und unkalkulierbare Gefährdungslagen überstehen, ohne zusammenzubrechen. Der Begriff stammt aus der Werkstoffphysik und bezeichnet dort die Eigenschaft elastischer Materialien, nach Anspannung wieder in den Ausgangszustand zurückzuschnellen. Er vereint Bedeutungselemente von Robustheit, Immunität, Anpassungsfähigkeit und Coping. Inzwischen hat das Konzept Einzug in die unterschiedlichsten Bereiche gehalten: Resilient sein sollen Individuen ebenso wie Ökosysteme, Lieferketten wie Datennetze, Rechtsordnungen wie Finanzmärkte. Wer auf Resilienz setzt, der hofft nicht mehr darauf, künftige Krisen und Katastrophen noch verhindern zu können. Stattdessen bemüht er oder sie sich, ihnen besser gewappnet zu begegnen. Resilienzförderung soll nicht Belastungen abbauen, sondern die Belastbarkeit steigern. Der Vortrag fragt danach, was es über unsere Gegenwart sagt, wenn wir sie unter das Signum der Resilienz stellen.

 

Prof. Dr. Dr. h.c. Lars Feld  (Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik / Walter Eucken Institut)
Wie resilient ist unser Wirtschaftssystem?

Samstag, 29.10.22, HS 1010

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Prof. Dr. Dr. Lars Feld

Deutschland erlebt eine Phase rasch aufeinander folgender Krisen - ein Phänomen, das es hierzulande schon lange nicht mehr gegeben hat. Zur Bewältigung solcher Phasen kommt es - wie immer - auf den richtigen Policy Mix an. Die Möglichkeiten der Politik sind aber nicht voraussetzungslos. Vielmehr lassen sich Bedingungen beschreiben, die eine stärkere Widerstandsfähigkeit gegen ökonomische Krisen bedingen. In diesem Vortrag werden diese Bedingungen aufgezeigt und verdeutlicht, wie bedeutsam ihr Fortbestand über den Krisenverlauf ist.

 

Prof. Dr. Jens-Peter Schneider (Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit Europäischem Verwaltungs-, Informations- und Umweltrecht)
Europas Antwort auf gesellschaftliche Risiken von Facebook, Youtube, Twitter & Co.

Samstag, 12.11.22, HS 1010

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Prof. Dr. Jens-Peter Schneider

Hatespeech und Desinformation sind zwei vieldiskutierte gesellschaftliche Risiken, die verbreitet mit sozialen Medien und anderen digitalen Online-Diensten verknüpft werden. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung rund um Migration, die US-Präsidentenwahlen, die Corona-Pandemie oder den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine werden gegen Facebook, Youtube, Twitter & Co. immer wieder Vorwürfe erhoben, mit ihren Empfehlungsalgorithmen sogar eindeutig illegale Inhalte besonders prominent zu verbreiten. Genauso umstritten sind jedoch algorithmenbasierte Moderationsmaßnahmen der Internetgiganten zur Sperrung von sogenanntem user-generated content oder gar zur Löschung von Nutzerkonten. Mit dem Digital Services Act 2022 will Europa seine Widerstandskräfte gegenüber „Wild-West-Methoden“ auf sozialen Medien stärken. Diesen neuen Vorschriften widmet sich der Vortrag: Welche Instrumente bietet das neue Gesetz und bringt es die Grundrechte von Menschen, die durch Hatespeech zum Verstummen gebracht werden sollen, mit denen von Menschen, die in sozialen Medien ihre Meinung frei äußern möchten, in einen gerechten Ausgleich?

 

Prof. Dr. Jürgen Bauhus (Institut für Forstwissenschaften, Professur für Waldbau)
Erwarte das Unerwartete – Resilienz und Anpassungsfähigkeit als Schlüssel zur Nachhaltigkeit langlebiger Wälder

Samstag, 19.11.22, HS 1010

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Jürgen Bauhus

Für die Sicherung unserer Lebensgrundlagen und die Bereitstellung von Ökosystemleitungen sind wir dringend auf resiliente Wälder angewiesen. Die weitverbreiteten Waldschäden infolge der extremen Trockenheiten in den vergangenen Jahren haben sehr deutlich gemacht, dass viele Wälder nicht ausreichend resilient und auf die klimatischen Veränderungen vorbereitet sind. In diesem Vortrag werden zunächst die Herausforderungen für die Anpassung der Wälder vor dem Hintergrund der projektierten klimatischen Veränderungen sowie nicht vorhersehbarer Ereignisse diskutiert. Verschiedene Resilienzkonzepte werden erläutert und einige Optionen zur Förderung der Resilienz und Anpassungsfähigkeit von Wäldern beispielhaft dargestellt. Gleichzeitig wird die Verbindung zwischen den Waldökosystemen und den sozio-ökologischen Systemen, in denen sie eingebettet sind, thematisiert. Nur wenn auch die sozialen und ökonomischen Systeme hinreichend gegenüber Veränderungen klimatischer und ökologischer Bedingungen sowie gesellschaftlicher Werte resilient sind, kann die Anpassung der Wälder und eine Entwicklung resilienter Systeme gelingen. Dass dieser Anpassungsprozess weitgehend aktiv gestaltet werden muss, verlangt von den beteiligten Akteuren erhebliche finanzielle und institutionelle Kapazitäten. Der Umgang mit Unsicherheiten und Nichtwissen bezüglich zukünftiger Änderungen erfordert zudem einen Paradigmenwechsel in der Bewirtschaftung der Wälder auf dem Weg zu resilienten und anpassungsfähigen Ökosystemen.

 

Prof. Dr. Anke Weidlich (Institut für Nachhaltige Technische Systeme INATECH, Professur für Technologien der Energieverteilung)
Wie resilient ist unsere Energieversorgung?

Samstag, 26.11.22, HS 1010

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Prof. Dr. Anke Weidlich

Ein resilientes Energiesystem ist eines, das unvorhergesehene Ereignisse und Belastungen auffangen kann und dabei in seiner Funktionsfähigkeit nicht eingeschränkt wird bzw. diese zügig wiedererlangt. Redundanz und Reservevorhaltung sowie die Diversität der verwendeten Energiequellen tragen maßgeblich hierzu bei. Die aktuelle Energiepreiskrise übt einen starken Druck auf die bestehenden Energiesysteme aus, und es ist nicht auszuschließen, dass bisher etablierte Vorkehrungen nicht ausreichen werden, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. In dem Vortrag wird für die Netzinfrastrukturen im Strom- sowie im Erdgassystem dargestellt, wie aktuell die Resilienz der Energieversorgung sichergestellt wird (mit Fokus auf das Stromsystem), welche Herausforderungen durch langfristige Trends in Zukunft hinzukommen und wie sie zu bewältigen sind. Darüber hinaus wird diskutiert, wie die aktuellen Entwicklungen in der Versorgungslage die Resilienz der Energieversorgung auf die Probe stellen.

 

Prof. Dr. Stefan Kaufmann (Institut für Soziologie)
Demokratische Resilienz der Polizei

Samstag, 03.12.22, HS 1010

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 Prof. Dr. Stefan Kaufmann

Unter dem Leitmotiv „Demokratische Resilienz der Polizei“ wurden in den letzten zwei Jahren von Innenministerien verschiedener Bundesländer Initiativen ergriffen, um (rechts)extremistischen Tendenzen in der Polizei entgegenzuwirken. Meist wurden diese als Antwort auf rechtextreme und menschenverachtende Chatgruppen in der Polizei lanciert. Was unter Resilienz verstanden wird, bleibt dabei allerdings oftmals recht vage – und damit auch, welche Reichweite diese Initiativen haben. Im Rückgriff auf Resilienzkonzepte aus der Organisationsforschung verdeutlicht der Vortrag das Erfordernis einer umfassenden Auseinandersetzung mit den strukturellen Risikokonstellationen in der Polizeiarbeit, die rechtsradikale und diskriminierende Einstellungen begünstigen.

 

Prof. Dr. Maike Rönnau-Böse (Professur für Kindheitspädagogik / Zentrum für Kinder- und Jugendforschung ZfKJ, Evangelische Hochschule Freiburg)
Resilienz und Resilienzförderung in Kitas und Schulen

Samstag, 10.12.22, Aula

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Prof.in Dr.in Maike Rönnau-Böse

Stärken, Fähigkeiten und Ressourcen von Kindern stehen bei dem Konzept der Resilienz im Vordergrund. Es wird danach gefragt, was Kinder stärkt und wie sie darin unterstützt werden können, ihre Kompetenzen zu entwickeln und zu entfalten, um mit belastenden Situationen gut umgehen zu können. Hierbei sind Selbstwirksamkeitserfahrungen und Partizipationsmöglichkeiten ebenso von besonderer Bedeutung wie eine beziehungsorientierte und dialogische Einrichtungskultur.

In dem Vortrag wird das Konzept der Resilienz aus pädagogischer Perspektive erläutert. Im Mittelpunkt stehen Schutz- und Resilienzfaktoren, die wesentliche Ansatzpunkte darstellen, um Kinder in der Auseinandersetzung mit neuen, herausfordernden Situationen und Entwicklungsaufgaben zu unterstützen. Dabei wird ein multimodales Programm zur Resilienzförderung in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen entworfen und anhand konkreter Beispiele veranschaulicht.

 

Podiumsdiskussion:
Resilienz in Freiburg und in der Regio – Herausforderungen und Lösungsansätze

Samstag, 17.12.22, Aula

Neue Verwundbarkeiten und Risiken - wie zum Beispiel Wetterextreme, Gefahren im digitalen Raum oder Herausforderungen durch die Folgen politischer Krisen – sind aktuell auch im Alltag spürbar. Wie wird Resilienz im Raum Freiburg, in der Stadt und in der Regio, in konkreten Lebensbereichen umgesetzt?  Welche Herausforderungen stellen sich, welche Aspekte stehen im Vordergrund, welche Lösungsansätze gibt es? Zu diesen Fragen bringt die Podiumsdiskussion Spezialistinnen und Spezialisten aus dem Raum Freiburg ins Gespräch und gibt Einblicke, wie Resilienz in unserem Alltagsleben vor Ort konkret aussehen kann und wird.

Es diskutieren:

Dr. Renate Häuslschmid (Koordinatorin für Digitale Innovation, Stadt Freiburg)

Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck (Freiwillige Feuerwehr Denzlingen / Englisches Seminar)

Prof. Dr. Hanns-Heinz Kassemeyer (Staatliches Weinbauinstitut Freiburg / Botanischer Garten, Plant Biomechanics Group)

Prof. Dr.-Ing. Alexander Stolz (Institut für Nachhaltige Technische Systeme INATECH, Professur für Resilienz Technischer Systeme / Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik EMI)

 

Moderation:

Prof. Dr. Hans-Helmuth Gander (Geschäftsführender Direktor des Centre for Security and Society CSS / Philosophisches Seminar)

 

Prof. Dr. Sandra Destradi (Seminar für Wissenschaftliche Politik, Professur für Internationale Beziehungen)
Herausforderungen an die „liberale Weltordnung“

Samstag, 14.01.23, HS 1010

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Prof. Dr. Sandra Destradi

Die sogenannte liberale Weltordnung scheint derzeit von allen Seiten unter Angriff zu stehen. Eine ganze Reihe von Entwicklungen der vergangenen Jahre und Monate bestätigt diese Befürchtung: das weltweite Erstarken autoritärer Regime, die Schwächung des regelbasierten Multilateralismus, der eklatante Völkerrechtsbruch durch den russischen Angriff auf die Ukraine, die Ausnutzung wirtschaftlicher Abhängigkeiten („weaponized interdependence“) sowie der Aufstieg des Populismus in vielen Teilen der Welt. Der Vortrag setzt sich zunächst kritisch mit dem Konzept der „liberalen Weltordnung“ auseinander und erläutert die Herausforderungen an diese Ordnung. Anschließend wird die Frage gestellt, inwieweit diese Weltordnung nicht doch ein höheres Maß an Resilienz aufweist als manchmal angenommen. Dabei wird exemplarisch auf die ambivalente Politik aufstrebender Mächte des Globalen Südens sowie auf die internationalen Auswirkungen des Populismus eingegangen.

 

Prof. Dr. med. Claas Lahmann (Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg)
Resilienz – das Immunsystem von Seele, Körper, Geist

Samstag, 21.01.23, HS 1010

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Prof. Dr. Claas Lahmann

Bereits Mitte des letzten Jahrhunderts wurde in der psychologischen Forschung die Frage aufgeworfen, wie es manchen Menschen gelingt, auch unter widrigen Umgebungsbedingungen psychisch gesund zu bleiben. Diese Frage scheint heute aktueller denn je und kann dabei im Sinne des bio-psycho-sozialen Modells über die psychische Gesundheit hinaus auch auf die körperliche und soziale Gesunderhaltung bezogen werden. Resilienz ist dabei keine statische Eigenschaft, die erworben werden kann und dann einen lebenslangen Schutzfaktor darstellt, obwohl es einige günstige Bedingungsfaktoren gibt. Vielmehr ist Resilienz als ein dynamisches und prozesshaftes Geschehen zu verstehen, das ex post durch das Vorhandensein von resilientem Verhalten definiert werden kann. Letzteres zeigt sich in einer besseren Adaptivität unter aversiven Belastungsfaktoren, das sowohl die psychische, die körperliche als auch die soziale Regulationsfähigkeit einschließt.

 

Prof. Dr. Melanie Arndt (Historisches Seminar, Professur für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte)
Die Temperatur der Resilienz. Wärmeversorgung und Wohlfahrt um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert

Samstag, 28.01.23, Aula

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Prof. Dr. Melanie Arndt

Der russische Krieg in der Ukraine hat zum ersten Mal in der jüngeren europäischen Zeitgeschichte die Gewährleistung der Wärmeversorgung für große Teile der Bevölkerung in Westeuropa in Frage gestellt. Erst jetzt wird öffentlich über unterschiedliche Heizsysteme, Sparmöglichkeiten, vertretbare Raumtemperaturen, soziale Ungleichheit in Form von Energiearmut (fuel poverty), wirtschafts- und sozialverträgliche Umverteilungen oder strukturelle Abhängigkeiten gestritten. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass in den letzten Jahren zwei Drittel der Kohlendioxidemissionen der europäischen Haushalte durch Heizen verursacht wurden. Auch die Geschichte des Heizens, beispielsweise die Frage, wie Entscheidungen für bestimmte Wärmeinfrastrukturen getroffen wurden, hat bisher nur wenig Aufmerksamkeit erfahren. Der Vortrag wird den Zusammenhang zwischen Wärmeversorgung und staatlicher Wohlfahrt an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert beleuchten – jener Zeit, in der Wärme mehr und mehr zu einem sozialen Gut wurde. Am Beispiel deutscher Großstädte wird gezeigt, wie die Entwicklung neuer Heizsysteme – insbesondere der Zentral- und Fernwärme – untrennbar mit neuen Vorstellungen von Gesundheit, Hygiene und sozialer Teilhabe, aber auch mit einem ausgeprägten Technikoptimismus und staatlichen Interventionen verknüpft war. Die neuen kollektiven Heizsysteme sollten im doppelten Sinne Resilienz erzeugen: zum einen als effizientere und sicherere Variante im Vergleich zu individuellen Heizungen, zum anderen als Schutzschild für die rasant wachsende urbane Bevölkerung gegen die negativen Folgen der Industrialisierung.

 

PD Dr. Juliane Blank (Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft / Medienwissenschaft, Universität des Saarlandes)
Was man tun kann. Resilienz in literarischen Texten über Epidemien und andere Katastrophen

Samstag, 04.02.23, HS 1010

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PD Dr. Juliane Blank

Wenn literarische Texte von Katastrophen erzählen (seien es Naturkatastrophen, Epidemien oder Kriege), dann geht es immer auch um Resilienz – denn Literatur erzählt nicht nur davon, wie Menschen Katastrophen überleben, sondern auch davon, wie sie sie verarbeiten und bewältigen. Diese Aneignung von Katastrophen mit den Mitteln der Literatur kann man zugleich als Beispiel für ‚kulturelle Resilienz‘ betrachten.

In der neueren Forschung wird Resilienz nicht so sehr als Eigenschaft, sondern als Prozess betrachtet. Dieser Prozess basiert maßgeblich auf Akten des Erzählens, d.h. der sinnzuweisenden Organisation von bedrohlich auseinanderfallenden Ereignissen und Erfahrungen. Der Vortrag zeigt am Beispiel von drei Texten über Naturkatastrophen und Epidemien, wie Literatur Resilienz einerseits eindrücklich veranschaulicht und andererseits aktiv kulturelle Resilienzstrategien entwickelt. An Heinrich von Kleists Das Erdbeben in Chili, Albert Camus‘ Die Pest und José Saramagos Die Stadt der Blinden werden 1) Verfahren der Sinngebung, 2) Erfahrungen von Zugehörigkeit und 3) das Erkunden von ethischen Handlungsspielräumen als Narrative von Kohärenz analysiert. Im Sinne einer ‚kulturellen Narratologie der Resilienz‘ ist schließlich zu fragen und zu diskutieren, welche Rolle speziell die Literatur und ihre medienspezifischen Formen für die narrative Konstruktion von Resilienz spielen.

 

PD Dr. Elisa Orrù (Philosophisches Seminar)
Furcht, Hoffnung und Verantwortung. Der normative Gehalt der Resilienz in der neueren Philosophie

Samstag, 11.02.23, Aula

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Auf einer ganz grundlegenden Ebene zielt Resilienz zunächst auf die Selbsterhaltung eines (menschlichen, ökologischen, technischen usw.) Systems. Mit Selbsterhaltung ist aber zunächst kein moralischer Anspruch verbunden: Dass etwas existiert, macht es nicht schon deswegen auch erhaltenswert. Noch weniger entsteht daraus eine moralische Pflicht, zum Erhalt des Systems beizutragen. Doch ermöglichen die Konzepte der „Heuristik der Furcht“ (Hans Jonas) und des „Liberalismus der Furcht“ (Judith Shklar), aus dem Bedürfnis nach Selbsterhaltung eine moralische und politische Konzeption der Verantwortung zu entwickeln, die auf Hoffnung statt auf Utopie basiert, nicht nur für unser Hier und Jetzt, sondern auch für die zukünftigen Generationen.

 

 

Mit freundlicher Unterstützung der Volksbank Freiburg und der Badischen Zeitung